Nordisches Modell im Deutschen Bundestag – Antrag der Fraktion CDU / CSU

Nachfolgend lesen Sie die Vorabfassung des Antrags der Fraktion CDU / CSU, die in Kürze im Plenum Topthema ist.

Diese Fassung wird durch die lektorierte Fassung ersetzt.

Antrag

Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:


Der Versuch mit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes im Jahr 2002 die Prostitution in Deutschland zu legalisieren und damit die Situation für betroffene Personen zu verbessern, ihr Schutzniveau zu erhöhen und sie in eine sozial- und krankenversicherungspflichtige
Beschäftigung zu bringen, ist gescheitert. Die tatsächliche
Situation in der Prostitution hat sich seitdem drastisch verschlechtert. Dies betrifft
insbesondere Frauen, die laut Schätzungen über 90% der von Sexkauf betroffenen Personen ausmachen. Die Strukturen des Prostitutionsmilieus sind bis auf
wenige Ausnahmen selbstbestimmter Prostituierten zutiefst menschen- und insbesondere frauenverachtend. Der überwiegende Mehrheitsanteil der Prostituierten ist Teil der unfreiwilligen Armuts- und Elendsprostitution und damit täglich sexueller Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch schutzlos ausgeliefert. Das Leben vieler dieser Frauen ist von Täuschungen und Drohungen geprägt, nicht selten begleitet von Straftaten wie Menschenhandel und Zwangsprostitution. Unter dem Schutzmantel der vom Gesetzgeber geschaffenen Legalität der Prostitution, konnte sich ein Handel mit Menschen unkontrolliert ausbreiten. Für eine hohe sechsstellige Zahl von Frauen und Mädchen bedeutet dies eine faktisch totale Abhängigkeit von Zuhältern, die auf emotionaler Manipulation, Täuschung, Drohung und nicht zuletzt massiver
Gewalt beruht. Regelmäßig sind die Betroffenen – oft verbunden mit dem Entzug von Ausweispapieren – nicht in der Lage, sich aus ihrer Situation zu befreien. Das
Prostitutionsmilieu wird in weiten Teilen beherrscht von Strukturen der Organisierten Kriminalität, der Banden- und Clankriminalität. Daran schließt sich ein ausgeprägtes Feld an Begleitkriminalität an. Die überwiegende Zahl der Prostituierten ist gezwungen in einem Milieu zu agieren, das sich dem Sichtfeld und Einflussbereich
des Staates weitgehend entzieht.
Mit dem 2017 in Kraft getretenem Prostituiertenschutzgesetz wurden neue Schutzvorschriften eingeführt, die die tatsächliche Situation der betroffenen Frauen verbessern sollte. Der erhoffte Erfolg ist allerdings nicht eingetreten. Bereits die Zwischenevaluation
im Jahr 2020 hat gezeigt, dass die eingeführten Schutzvorschriften
größtenteils ins Leere laufen und sich die Situation der von Experten geschätzten mindestens 250.000 Prostituierten in Deutschland nicht verbessert hat. Dies belegen
auch aktuelle Zahlen: Im Jahr 2022 waren lediglich 28.280 Prostituierte bei den Ordnungsbehörden gemeldet. Darunter gerade einmal 50 sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte sowie zehn ausschließlich geringfügig Beschäftigte. Diese Zahlen und die Berichte von Streetworkern, Beratungsstellen, Aussteigerinnen und Betroffenen widerlegen seit Jahren eindeutig das Narrativ vom „Beruf wie jeder andere“, von selbstbestimmten Prostituierten mit eigenem Konto, eigener Wohnung, Kranken-, Renten- und Sozialversicherung.

Seite 1 der Vorabfassung des Antrags – Klick auf das Bild

Vielmehr erleben viele der Prostituierten die Handlungen der Freier an ihrem Körper häufig als vielfache Vergewaltigungen – verbunden mit demütigenden, schmerzhaften und die physische wie psychische Gesundheit gefährdenden Prakti-ken. Das führt zu bleibender Traumatisierung und zu gravierenden, irreversiblen körperlichen und seelischen Schäden. Die Ergebnisse einer aktuellen Freierstudie belegen, dass es eine hohe Zahl an Freiern gibt, die in Kenntnis dieser Missstände handeln oder diese billigend in Kauf nehmen. Selbst die Freier berichten von Be-obachtungen, bei denen Prostituierte Opfer von Gewalt-, Macht- und Drogenmissbrauch durch Zuhälter wurden und dennoch setzen sie die bezahlte „Dienstleistung“ ohne Rücksicht auch bei erkennbarem Widerwillen, Ekel und Schmerzen der Prostituierten durch. Hinzukommt eine sehr geringe Zahl an Verurteilungen in diesem Bereich. Diese Umstände zeigen, dass die derzeitige Ausgestaltung der Freierbe-strafung in § 232a Absatz 6 des Strafgesetzbuches (StGB) mit dem Ziel, den Druck auf die Freier und damit den Schutz der Frauen vor Zwangsprostitution zu erhöhen, nicht ausreichend ist.

Nachdem bereits die Zwischenevaluation des Prostituiertenschutzgesetzes im Jahr 2020 einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf offenbart hat, ist schon jetzt abseh-bar, dass der für 2025 in Aussicht gestellte Evaluationsbericht diese Erkenntnisse bestätigen wird. Die vorgesehene Evaluation kann vor dem Hintergrund der beschriebenen Situation nicht abgewartet werden. Die eklatante Diskrepanz zwischen gemeldeten und tatsächlich tätigen Prostituierten, der gescheiterte Ansatz, Freier in Mitverantwortung für die Eindämmung von Menschenhandel und Zwangsprostitu-tion zu nehmen sowie die intensive Verflechtung der Organisierten Kriminalität mit dem Prostitutionsmilieu, ergeben eindeutig, dass weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz zu entscheidenden Verbesserungen geführt ha-ben. Das Ziel, die Prostitution als einen normalen Beruf zu etablieren, ist selbst unter Einbindung weitreichender Verwaltungs- und Strafvorschriften gescheitert.

Die Zahlen und Berichte von Experten und Betroffenen belegen schon jetzt, dass die Schutzpflicht des Staates gegenüber den Betroffenen nicht hinreichend gewährleistet werden kann. Angesichts dieses Befundes ist eine Verschiebung weiterer Maßnahmen um mehrere Jahre mit dem Verweis auf eine Evaluation keine Option.

Im Sinne der Opfer muss jetzt gehandelt werden. Eine Akzeptanz dieses Zustandes widerspricht eindeutig dem Ziel, Frauen und ihr sexuelles Selbstbestimmungsrecht zu schützen.

Die dargelegten Missstände lassen sich nur durch einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der nationalen Prostitutionsgesetzgebung verbessern. Dazu soll nach dem Vorbild des sogenannten „Nordischen Modells“ ein Dreisäulenmodell für Deutschland entwickelt werden. Zentrale Säulen dieses Modells sind der Ausbau von Präventions- und Ausstiegsangeboten, die Einführung einer Strafbarkeit für den Kauf sexueller Dienstleistungen sowie die Stärkung der Durchsetzungsautorität der Verwaltungs- und Vollzugsorgane. Unbenommen davon ist das Angebot der sogenannten Sexualassistenz für Menschen mit Behinderungen, sofern sich das Angebot auf eine Beratung beschränkt und nicht die Vermittlung oder die Ausübung einer sexuellen Dienstleistung beinhaltet.

1. eine allgemeine Freierstrafbarkeit einzuführen und den Kauf sexueller Dienstleistungen im Grundtatbestand als Vergehen zu ahnden;

2. sicherzustellen, dass Prostituierte im Zuge der Neuregelung nicht durch die Tatsache der reinen Ausübung der Tätigkeit kriminalisiert werden;

3. den Betrieb von Prostitutionsstätten wie Bordellen, Laufhäusern, Verrich-tungsboxen und Wohnwagen sowie die Vermietung von Objekten zum Zweck der Prostitutionsausübung zu verbieten;

4. die grundsätzliche Strafbarkeit von Zuhälterei, Ausbeutung von Prostituierten und Menschenhandel sowie das umfassende strafbewehrte Verbot, aus der Prostitution einer anderen Person vorsätzlich eigenen Nutzen zu ziehen, wirksam zu gewährleisten;

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5. haushälterisch gangbare Wege zu finden, um die Ausstiegsangebote für Prostituierte weiter auszubauen und den Beratungsstellen langfristig eine verlässliche finanzielle Unterstützung zuzusichern;

6. in Zusammenarbeit mit den Ländern neue Modellprojekte zur Ausstiegsbe-gleitung von Prostituierten zu entwickeln, die die erforderliche intensive Betreuung zur Rückkehr in ein „selbstbestimmtes Leben“ leisten;

7. sicherzustellen, dass die Arbeit der Fachberatungsstellen im gesamten Bundesgebiet einheitlichen Standards unterliegt und die Beratung grundsätzlich das Ziel eines gelingenden Ausstiegs verfolgt;

8. Rückkehrprogramme zu initiieren, die Aussteigerinnen aus der Zwangspros-titution bei Rückkehr in ihr Heimatland die notwendige Unterstützung vor Ort zukommen lassen;

9. eine Notfall-Hotline für Prostituierte einzurichten, die rund um die Uhr erreichbar ist und die Betroffenen mit Fachberatungsstellen sowie den zuständigen Ordnungsbehörden vernetzt und in akuten Notlagen schnelle Hilfe bieten kann;

10. in Zusammenarbeit mit den Ländern die Aufklärungs- und Präventionsarbeit von Kindern und Jugendlichen über die Anbahnungsmethoden von Zuhältern zur sexuellen Ausbeutung (Loverboy-Methode, Online-Kontaktanbah-nung, etc.) zu intensivieren;

11. eine bundesweite, multimediale Kampagne zu starten, die Freier für die Folgen von Menschenhandel und Zwangsprostitution und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen sensibilisiert;

12. die Schulungen und die Aufklärungsarbeit zum Umgang mit Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution bei den zuständigen Polizeibeam-ten, Staatsanwälten, Richtern und Behörden zu intensivieren und stärker auf den besonderen Umgang mit der Bedrohungslage und der Traumatisierung der Opfer zu spezialisieren;

13. in Zusammenarbeit mit den Ländern durch die Bildung von spezialisierten Polizeieinheiten die Kompetenzen und Ressourcen der Polizei deutlich zu stärken zur Überwachung der Einhaltung der neuen Regelungen zur Freier-strafbarkeit sowie zur Bekämpfung von Menschenhandel, Zuhälterei und der Organisierten Kriminalität im Bereich der Prostitution;

14. die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine effektive und regelmä-Bige Kontrolle von prostitutionsanfälligen Orten sowie von einschlägigen Plattformen im Netz durchzuführen;

15. den bereits im Jahr 2023 angekündigten nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels noch in diesem Jahr endlich vorzulegen

16. eine Monitoringstelle einzurichten, die regelmäßig über den Fortschritt der Umsetzung in den Ländern und die Wirksamkeit der Maßnahmen berichtet.

Berlin, den 20. Februar 2024

Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Fraktion

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Vorabfassung des Antrags zum Download

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