Studien zum Nordischen Modell

2020 habe ich einen Instagram Account gestartet, den ich als Sprachrohr für mein Thema nutzte. Ich war seit 2013 dabei dieses Thema zu lösen und es ging einfach nicht voran. Was mich ziemlich wütend machte. Also startete ich den Instagram Account und nutzte den Hashtag .

Was ist das Nordische Modell ?

Es ist ein Konzept, das zur Änderung der Prostitutionspolitik in einem Land dient. Das Nordische Modell besteht aus 4 Säulen

1 – Die Entkriminalisierung der Menschen in der Prostitution, die ihren Körper zur Verfügung stellen müssen

2 – Das Sexkaufverbot – Es wird die Nachfrage behandelt. Denn die Nachfrage bestimmt das Angebot. Und die „Anbieter“ handeln nicht nach Demokratischen Grundsätzen, wozu auch und vor allem die Grundgesetze gehören.

3 – Aufklärung der Bevölkerung – Das System der Prostitution, und Pornografie gehört dazu, ist ein Sackgassen-System. Alle Wege führen rein. Doch kaum einer führt raus. Getarnt mit Medien wirksamen Floskeln und Pseudo-Lieblichkeit werden Mädchen, junge Frauen und auch Frauen jeden Alters zur Prostitution gebracht. Bei der einen funktioniert die Loverboy-Masche, bei der anderen sind es Schläge und bei der nächsten ist es die vermeintliche Selbstbestimmte Entscheidung, die aber letzten Endes aus einer Disposition oder aus einer Wirtschaftlichen Notlage oder aus einem Zusammenwirken von beidem resultiert.

4 – Ausstieg, Schutz, Wiedereingliederung der Menschen aus der Prostitution

Im Oktober 2020 fand das erste Netzwerktreffen von Frauenrechtsorganisationen, Aktivisten und Aktivistinnen statt. Danach ging es direkt über in die Gründung des Bündnisses Nordisches Modell bei dem auch ich ebenfalls meinen Beitrag leisten konnte. Es tut gut, wenn Menschen sich zusammentun, um einen Missstand aufzuräumen. Und wir haben hier in Deutschland einen verdammt großen Missstand, was die Prostitutions- und Kinderschutzpolitik angeht.

Im Bündnis Nordisches Modell gibt es Arbeitsgruppen. Unter anderem gibt es die AG Studien, die sich mit allen Studien befasst, die das Nordische Modell betreffen.

Nachfolgend eine Sammlung von Kernaussagen aus Studien, erstellt von der AG Studien vom Bündnis Nordisches Modell:

ABSCHRIFT des DOKUMENTES:

Studien Nordisches Modell
Informationen über einige wesentliche Kernaussagen aus Studien, die die
Einführung des Nordischen Modells stützen:
I. Nordisches Modell

  1. Mansson, Sven-Axel: The History and rationale of swedish prostitution policies. Dignity, Vol. 2,
    Issue 4, September 2017; http://digitalcommons.uri.edu/dignity/vol2/iss4/
    o Das Sexkaufverbot beeinflusst die Nachfrage, Straßenprostitution wurde um 50 %
    reduziert. Erfolg in Reduzierung des Menschenhandels in die Prostitution
    o Das Sexkaufverbot hat einen signifikanten normativen Effekt (mittlerweile
    befürworten in Schweden 79 % der Frauen und 60 % der Männer das
    Sexkaufverbot. Dagegen findet in Dänemark, einem Land, in dem die Nachfrage
    nach Prostitution legal ist, die große Mehrheit der Männer, dass Sexkauf in
    Ordnung ist)
    Aber: In der Populärkultur, den Medien und im Internet sind starke Kräfte in
    Richtung einer Konsolidierung der traditionellen männlichen Verhaltensweisen mit
    starken Elementen der Verdinglichung des anderen Geschlechtes wirksam. Dies
    äußert sich beispielsweise in den Freierforen und wird auch in der Sexindustrie und
    dem Frauenhandel wirksam und dort wiederum verstärkt .
    Auf der strukturellen Ebene ist die Nachfrage nach Prostitution überwiegend eine
    männliche Praxis. Aber: Die meisten Männer kaufen keinen Sex, in den meisten
    Ländern handelt es sich um eine Minderheit. Sexualität ist gesellschaftlich
    konstruiert, was Männer in der Prostitution sehen, ist kulturell und historisch
    bedingt. Der Kernpunkt der schwedischen Prostitutionspolitik ist nach Mansson
    deshalb die Änderung des Blickwinkels, weg von der prostituierten Frau hin zu der
    männlichen Sexualität.
    o Im Vorfeld wurden Befürchtungen geäußert, dass die prostituierten Frauen in den
    Untergrund gedrängt und durch soziale Hilfsangebote schlechter erreicht werden
    könnten und dass es zu schlechteren Lebensverhältnissen und einer Zunahme der
    körperlichen Misshandlungen kommen würde. Mansson kommt (ebenso wie die
    schwedische Regierung) zu dem Ergebnis, dass es kaum empirische Belege für
    diese Kritik gibt. Die Studien ergeben allerdings kein klares Bild.
  2. Fein, Luba: Has the Nordic Model worked? What does the research say? 22 December 2019 |
    Nordic Model Now! | https://nordicmodelnow.org/2019/12/22/has-the-nordic-model-worked-what-does-the-research-say/
    o Alle Studien belegen bzw. geben Indizien dahingehend, dass es durch das
    Nordische Modell zu einer Reduzierung der Anzahl der prostituierten Frauen sowie
    zur Abschreckung hinsichtlich Menschenhandel und Zuhälterei kommt.
    o Es gibt keine eindeutigen Belege für eine Erhöhung der grundsätzlichen
    Polizeigewalt, jedoch für Meldungen von solcher gegen illegal migrierte Menschen.
    o Alle Studien zeigen das große Ausmaß an Gewalt, der prostituierte Personen
    ausgesetzt sind, es gibt jedoch keine Belege für eine Zunahme durch das
    Sexkaufverbot.
  3. Evaluationsbericht der französischen Regierung: Evaluation de la loi du 13 avril 2016 visant à
    renforcer la lutte contre le système prostitutionnel et à accompagner les personnes prostituées.
    2020
    o Dort wo das Gesetz tatsächlich umgesetzt wird, funktioniert es.
    o Der Bericht listet unter anderem folgende Fortschritte auf:
  • 54 % mehr Strafverfolgungen wegen Zuhälterei und Menschenhandel
  • 7- facher Anstieg der Entschädigung für Betroffene von Zuhälterei und Menschenhandel
  • 395 Personen nahmen an Ausstiegsprogrammen teil
  • 2,35 Millionen Euro beschlagnahmte Gelder wurden für Prostituierte und
    Betroffene von Menschenhandel verwendet
  • Fast 5.000 Sexkäufer wurden belangt
    o Die Umsetzung war regional jedoch heterogen und die Verantwortlichen in den
    Präfekturen haben sich oft beklagt, dass sie nicht genug Ressourcen hatten, um das
    Gesetz tatsächlich umzusetzen. In der im Bericht enthaltenen Umfrage fanden 90%
    der Präfekturen die neu-etablierten regionalen Kommissionen zur Bekämpfung der
    Prostitution sinnvoll (Seite 118).
    o Der Bericht macht 28 Empfehlungen für eine noch bessere Umsetzung aller Aspekte
    des Gesetzes in Frankreich. Der Bericht endet mit dem Appell, dass politischer Wille
    und genügend Ressourcen in allen Regionen Frankreichs benötigt werden, damit die
    Umsetzung des Gesetzes noch besser funktionieren kann. Dies erfordert
    interministerielle Kooperation auf höchster nationaler Ebene.
  • 4. Rasmussen Ingeborg, Steinar Strøm, Sidsel Sverdrup und Vibeke Wøien Hansen: Evaluering
    av forbudet mot kjøp av seksuelle tjenester. 17.Juli 2014. Erstellt im Auftrag des norwegischen
    Justiz- und Innenministeriums ,
    https://www.regjeringen.no/contentassets/0823f01fb3d646328f20465a2afa9477/evaluering_sexkjoepsloven_2014.pdf . (Die Übersetzung des Evaluationsberichtes erfolgte
    durch den Sprachdienst des Deutschen Bundestages)
    wesentliche Ergebnisse (Auszüge Kapitel 12):
    o Geänderte Einstellung:
    Somit wird die Schlussfolgerung gezogen, dass in diesem frühen Stadium noch nicht
    klar gesagt werden kann, dass das Sexkaufgesetz zu der Entwicklung einer
    überwiegend negativen Haltung zum Kauf von Sex beigetragen hat. Das Gesetz
    muss länger wirken, ehe man eine klare Schlussfolgerung ziehen kann. Trotzdem
    gibt es deutliche Anzeichen dafür, dass insbesondere junge Norweger eher eine
    negative Haltung zum Kauf von Sex einnehmen als ältere Norweger. Genau wie in
    Schweden kann es weniger Debütanten im Sexmarkt geben, wodurch die Nachfrage
    auf Dauer geschwächt wird.
    o Verringerung der Nachfrage:
    Es zeigt sich u.E. ganz klar, dass das Gesetz eine abschwächende Wirkung auf die
    Nachfrage hat. Die Kunden haben weniger Zeit, sind gestresster und mehr damit
    beschäftigt, sich zu verstecken. Es gibt auch deutliche Anzeichen für einen
    Preisverfall im Markt, wobei Teile dieses Preisverfalls einer verringerten Nachfrage
    zugeschrieben werden können. Informationen, die von Initiativen/Organisationen,
    der Polizei und den Prostituierten eingeholt und oben dargestellt wurden, zeigen
    deutlich einen Rückgang des Kaufs sexueller Dienstleistungen auf dem
    Straßenstrich. Die Schlussfolgerung ist u.E., dass das Sexkaufgesetz zu einer
    geringeren Nachfrage nach Sex mit Prostituierten beigetragen hat. Wir
    veranschlagen die Verringerung der Nachfrage im Vergleich zu der Zeit vor
    Einführung des Gesetzes auf 20 bis 25 Prozent. Verglichen mit einer Entwicklung
    ohne das Sexkaufgesetz läge die Verringerung bei etwa 45 Prozent.
    o Geschwächter Markt:
    U.E. lautet die Schlussfolgerung, dass das Sexkaufgesetz zu weniger Prostitution,
    weniger Prostituierten, weniger Hintermännern, einem verringerten Angebot und
    einer verringerten Nachfrage beigetragen hat im Verhältnis dazu, wie es heute ohne
    das Sexkaufgesetz gewesen wäre.
    o Rückgang der Anwerbung:
    Unsere Schlussfolgerung lautet, dass das Gesetz zu weniger Prostitution in
    Norwegen beigetragen hat. Ein schlechterer Verdienst im Prostitutionsmarkt kann
    auch die Motivation zur Teilnahme an Maßnahmen und zur Suche nach alternativen
  • Einnahmequellen erhöht haben. Das Gesetz hat somit eine schwächende Wirkung
  • auf die Anwerbung für den norwegischen Prostitutionsmarkt.
  • o Verringerung Menschenhandel:
  • Nach Aussage der Polizei in Norwegen sind das Gesetz gegen Menschenhandel,
  • der Zuhältereiparagraph und das Sexkaufgesetz drei Gesetze, die zusammenwirken
  • und sich gegen denselben Markt und denselben Problemkomplex richten. Durch das
  • Sexkaufgesetz ist es leichter geworden, gegen Menschenhandel und Zuhälter
  • gerichtete Polizeiarbeit zu betreiben. Durch das Sexkaufgesetz erhält man ein
  • Eingangstor zu Informationen und Beweismaterial und somit bessere
  • Voraussetzungen, um in Fällen von Menschenhandel ermitteln zu können. Das
  • Risiko, aufgegriffen zu werden, wird somit zunehmen. Wenn dies mit einem
  • niedrigeren Verdienstpotenzial infolge einer verringerten Nachfrage und erhöhter
  • Kosten kombiniert wird, wird Norwegen für den Menschenhandel mit Sexkaufgesetz
  • unattraktiver als ohne erscheinen.
  • o Lebenssituation von Menschen in der Prostitution:
  • Die Polizei hat indessen keine Anzeichen für zunehmende Gewalt infolge des
  • Sexkaufgesetzes. U.E. gibt es auch keine anderen Studien oder Empirie, die eine
  • Grundlage für die Bewertung liefern, inwieweit Prostituierte jetzt mehr oder weniger
  • der Gewalt ausgesetzt sind, als sie es früher waren. Insgesamt ist u.E. somit die
  • Schlussfolgerung zu ziehen, dass das Sexkaufgesetz keine messbare Wirkung auf
  • Gewalt und Drohungen gegen Prostituierte hat. Es besteht auch keine Grundlage für
  • die Annahme, dass das Sexkaufgesetz von wesentlicher Bedeutung dafür ist,
  • inwieweit Gewalt angezeigt wird oder nicht. Dagegen gibt es eine Reihe anderer
  • Ursachen dafür, dass Gewalt nicht angezeigt wird. Sofern jetzt eine geringere
  • Neigung zur Anzeige von Gewaltdelikten als früher bestehen sollte, könnte dies
  • genauso gut auch durch andere Umstände bedingt sein, unter anderem durch
  • Erhöhung des Anteils, der von Hintermännern kontrolliert wird, der sich hier illegal
  • aufhält oder der aus einem Land kommt, in dem man negative Erfahrungen mit der
  • Polizei gemacht hat.
  • Sunesson, Per-Anders, Fragen und Antworten zum Verbot des Kaufs sexueller Dienste in
    Schweden. 18.10.2020
    http://twitdoc.com/view.asp?id=517149&sid=B319&ext=PDF&lcl=Fragen-und-Antworten-zum￾Verbot-des-Kaufs-sexueller-Dienste-in￾Schweden.pdf&usr=PASunesson&fbclid=IwAR3_L75nx054TyiQTzIBFM9wcqcqDtxtm26OQUgKWBZXLKSuVQ8kGUm6fow
    o Behauptung: Das Gesetz ist ein Misserfolg – es gibt in Schweden immer noch
    Prostitution.
    Antwort: Prostitution ist in Schweden wesentlich weniger verbreitet als in Ländern,
    in denen der Kauf sexueller Dienste nicht verboten ist. Es gibt einen starken
    normbildenden Effekt. Heute finden es nur noch wenige Schweden in Ordnung,
    Sex zu kaufen.
    o Behauptung: Die Prostitution hat nicht abgenommen – sie ist in den Untergrund
    gegangen.
    Antwort: Diese Behauptung ist nicht korrekt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes ist die
    Prostitution in Schweden stark zurückgegangen. Es gibt keine Anzeichen für eine
    heimliche Prostitution in Schweden. Die Polizei findet den Anbieter genauso leicht
    wie es der Sexkäufer tut. Natürlich kann für kurze Zeit an einzelnen Orten, die von
    der Polizei noch nicht entdeckt worden sind, Prostitution vorkommen, aber
    erfahrungsgemäβ nur in sehr kleinem Umfang.
    o Behauptung: Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat die Gewalt gegen Personen, die
    Sex verkaufen, zugenommen.
    Antwort: Im Gegenteil, sowohl Polizei als auch Frauen in der Prostitution bezeugen,
    dass das Gesetz zu einer Machtverschiebung vom Käufer hin zum Verkäufer
  • sexueller Dienste geführt hat. Die Käufer wissen: Wenn sie einer Person, die ihnen
  • sexuelle Dienste verkauft, etwas tun, kann diese die Polizei informieren, ohne dass
  • sie selbst als „Verkäuferin“ juristische Konsequenzen zu befürchten hat. Fakt ist,
  • dass in Schweden seit Inkrafttreten des Gesetzes niemand, der sexuelle Dienste
  • verkauft hat, im Zusammenhang mit der Prostitution getötet worden ist.
  • o Behauptung: Kinder von Frauen, die in Schweden Sex verkaufen, werden von den
  • Sozialbehörden in Obhut genommen.
  • Antwort: Die Schwelle für eine Inobhutnahme ist sehr hoch und soweit es möglich
  • war, Nachforschungen anzustellen, ist zumindest in den letzten zehn Jahren kein
  • Kind in Obhut genommen worden einzig und allein aus dem Grund, dass die Mutter
  • Sex verkauft hat. In den Fällen, in denen es zu einer Inobhutnahme kam, gab es
  • dafür mehrere Gründe, darunter Missbrauch und Misshandlung.
  • o Behauptung: Wer in Schweden Sex verkauft, riskiert den Verlust seines
  • Mietvertrags und somit seiner Wohnung.
  • Antwort: Diese Behauptung ist korrekt. Gemäβ einer Vorschrift in der schwedischen
  • Gesetzgebung kann ein Mietvertrag gekündigt werden, wenn in der Wohnung
  • kriminelle Handlungen stattfinden, beispielsweise Prostitution. Bevor eine
  • Kündigung erfolgen kann, soll dem Mieter jedoch die Möglichkeit gegeben werden,
  • den Kündigungsgrund auszuräumen, d. h. der Mieter wird aufgefordert, die
  • kriminelle Handlung einzustellen. Der Unterzeichner hat keinen Fall finden können,
  • in dem eine Person, die Sex verkauft, ihre Wohnung verloren hat. Indes gab es
  • mehrere Fälle, in denen Wohnungen für eine befristete Zeit über Airbnb angemietet
  • und für Prostitutionszwecke genutzt wurden und der Mietvertrag daraufhin vom
  • Eigentümer vorzeitig beendet wurde.
  • o Behauptung: Seit Inkrafttreten des Gesetzes ist es für Sozialämter und
  • Hilfsorganisationen schwerer geworden, mit Personen, die Sex verkaufen, in
  • Kontakt zu kommen. Antwort: Es deutet nichts darauf hin, dass Sozialämter und
  • Hilfsorganisationen schwerer mit Personen, die Sex verkaufen, in Kontakt
  • kommen. Es gibt Beratungsstellen in verschiedenen Teilen des Landes, an die sich
  • Personen, die Sex verkaufen, anonym wenden können und es gibt eine enge
  • Zusammenarbeit zwischen Polizei und Sozialämtern.
  • Konrad-Adenauer-Stiftung: PERSPECTIVES ON THE SWEDISH MODEL TO PREVENT AND
    COMBAT PROSTITUTION AND TRAFFICKING FOR PURPOSES OF SEXUAL
    EXPLOITATION; 2020
    https://www.kas.de/documents/259586/9803819/KAS+Report+-+Perspectives+on+the+Swedish+Model+to+prevent+and+combat+Prostitution+and+Trafficking+for+purposes+of+sexual+Exploitation.pdf/6f42fe6c-5d37-ced2-8570-123b3bba184e?version=1.0&t=1624672823123
    „Zusammenfassend hat die 2018 und 2021 durchgeführte Forschung gezeigt, dass das
    schwedische Modell auf gründlichen Studien beruht, die die schädlichen Folgen der
    Prostitution und die Notwendigkeit aufzeigen, die Perspektive von denjenigen, die
    sexuelle Dienstleistungen verkaufen, auf diejenigen zu verlagern, die die Nachfrage
    nach solchen Dienstleistungen schaffen. Länder, die das schwedische Modell
    übernehmen wollen, müssen berücksichtigen, wie wichtig es ist, das Problem auf der
    Grundlage eines kontextbezogenen Verständnisses der Phänomene Prostitution und
    Menschenhandel zu formulieren, die klare Verbindung zwischen Prostitution und
    Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung zu verstehen und der
    Umsetzung aller drei Komponenten des Modells die gleiche Priorität und Finanzierung
    zu geben. Die Nachbetreuung von AussteigerInnen aus der Prostitution in den
    verschiedenen Phasen der Betreuung mit nachhaltigen Alternativen ist wichtig, um den
    Kreislauf von Benachteiligung und Ausbeutung zu durchbrechen.“ (Übersetzung).
    Zudem wird darauf verwiesen, wie hoch der normative Effekt der Gesetzgebung ist:
    2018 sprachen sich 80% der Befragten gegen den Kauf von Sex aus
  • II. Auswirkung Prostitution generell und auf Gleichstellung
  • Europäische Union: Sexuelle Ausbeutung und Prostitution und ihre Auswirkungen auf die
    Gleichstellung der Geschlechter. Brüssel, 2014;
    http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+COMPARL+PE-519.748+01+DOC+PDF+V0//EN
    o Legalisierung erschwert die Bekämpfung des Menschenhandels
    o Legalisierung führt zu einer Zunahme des Menschenhandels
    o Prostitution triff vor allem Mädchen und Frauen
    o Prostitution ist mit Gleichstellung unvereinbar
    o Prostituierte Frauen unterliegen einem hohen Gewaltrisiko
    Forderung:
     Mitgliedstaaten sollen dem Nordischen Modell folgen
     sie sollen die Nachfrage eindämmen, indem sie die Freier bestrafen, nicht die
    Prostituierten
  • Gugel, Rahel: Das Spannungsverhältnis zwischen Prostitutionsgesetz und Art. 3 II Grundgesetz
    – eine rechtspolitische Untersuchung. Universität Bremen, Fachbereich Rechtswissenschaft,
  • https://stopsexkaufdotorg.files.wordpress.com/2014/10/rahel-gugel-diss.pdf
    o Prostitution ist Ausdruck geschlechtsspezifischer struktureller und sexueller
    Diskriminierung von Frauen. Das ProstG stärkt die gesamte Sexindustrie und die
    Freier, die von der Legalisierung und der Entkriminalisierung profitieren, nun legal
    konsumieren, investieren und hohe Profite genießen. Das ProstG trägt dazu bei, die
    allgemeine Geschlechterdifferenz und das hierarchische Geschlechterverständnis
    aufrecht zu erhalten (s. 206).
    o Kommerzielle Prostitution war geschichtlich bis heute ein hochgradig
    geschlechtsspezifisches und das weibliche Geschlecht diskriminierendes und
    zugleich geschlechterhierarchisierendes soziales Phänomen (S.207).
    o Das ProstG führte zu keiner tatsächlichen Verbesserung der sozialen
    Lebenswirklichkeit der prostituierten Frauen. Weder gibt es Klagen wegen
    Entgeltforderungen noch eine deutliche Verbesserung bei der sozialen Absicherung
    (S. 209).
    o Aus Artikel 3 II GG ergibt sich ein Verfassungsauftrag des Staates die tatsächliche
    Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu fördern (S. 212). Das ProstG führt
    nicht zu einer Verbesserung für die Frauen, sondern stärkt eher die Position der
    männlichen Kunden und Unternehmer der Sexindustrie und konterkariert damit sogar
    den stattlichen Schutzauftrag (S. 2013f).
  • Enrique Javier Díez Gutiérrez Procedia: Prostitution and gender-based violence. Social and
    Behavioral Sciences 161 (2014) 96 – 101
    https://reader.elsevier.com/reader/sd/pii/S1877042814061096?token=7D4B55E6649ABAD126A666389C90A1646A981D6940FCDE01EAF1A442D78FC608D680EACA37F05CC3BA04F15C22D5454F
    o Die Rolle des Sexkäufers wird in der Betrachtung häufig missachtet, geschützt und
    minimiert. Es gibt jedoch kein Angebot ohne Nachfrage.
    o Die Männer halten als soziale Gruppe die Unterwerfung unter diese Form der
    geschlechtsspezifischen Gewalt aufrecht und sozialisieren die nachwachsenden
    Generationen entsprechend.
    o Es ist widersprüchlich, Kindern die Gleichberechtigung von Männern und Frauen
    vermitteln zu wollen, während gleichzeitig Beziehungen und Machträume unterstützt
    werden, die ausschließlich Männern vorbehalten sind und in denen Frauen nur dann
    einen Platz zu haben scheinen, wenn sie im Dienste der Männer stehen.
    o Prostitution beinhaltet im Gegensatz zu jedem anderen Beruf den Verkauf des
    Körpers selbst, ohne Vermittler; der Körper kann nicht von der Persönlichkeit getrennt
  • werden. Was prostituierte Frauen bei ihrer „Arbeit“ zu ertragen haben, entspricht dem,
  • was in anderen Kontexten der akzeptierten Definition von Belästigung, sexuellem
  • Missbrauch und wiederholter Vergewaltigung entsprechen würde.
  • o Jungen werden dahingehend sozialisiert, dass sie später als Männer in der Lage sein
  • werden, die Körper, die Aufmerksamkeit und die Zeit von Frauen zu kaufen – zu
  • bezahlen, um sie zu nutzen. Mädchen dagegen lernen, dass eine ihrer Optionen als
  • Erwachsene ist, im Dienste von Männern zu stehen.
  • Coalition for the Abolition of Prostitution (CAP): Last Girl first! Prostitution at the intersection of
    sex, race & class-based oppressions; A research conducted by Héma Sibi. 2022. ISBN 978-2-
    95821188-0-5
    Die Studie arbeitet wichtige Aspekte des weltweiten Prostitutionssystems und seiner
    Auswirkungen gerade auf die verletzlichsten Mädchen und Frauen heraus:
  • Dadurch, dass der menschliche Körper in das Marktgeschehen gestellt wird, erneuert das
    Prostitutionssystem die Objektifizierung von Frauen und ihren Körpern. Die Objektifizierung
    weiblicher Körper in dem Prostitutionssystem weist ihnen den Status sexueller Objekte zu.
    Ihr Körper ist objektifiziert, erotisiert, sexualisiert, reduziert auf Teile der weiblichen
    Anatomie wie Brüste, Münder und Genitalien.
  • Die Fetischisierung asiatischer, schwarzer, migrantischer und indigener Frauen und
    rassistische Stereotypen über sie durch die Sexkäufer sind zentrale Faktoren des
    Prostitutionssystems
  • In der Realität ist Prostitution kein „Job“, sondern ein System der ökonomischen und
    sexuellen Ausbeutung der schwächsten Mitglieder der Gesellschaft.
  • Exklusion, Armut, der mangelnde Zugang zu grundlegenden Rechten, zu Nahrungsmitteln,
    Obdach, Arbeit, Bildung, aber auch zu Mobilitätsangeboten und den Kommunikationsmitteln
    ebnen Mädchen und Frauen den Weg in die Prostitution.
  • Die soziale Heterogenität der Nachfrage im Gegensatz zu der sozialen Homogenität der
    Gruppe der Ausgebeuteten: Weltweit prostituieren Männer aus unterschiedlichsten sozio￾kultureller Lebenswelten Mädchen und Frauen, die überwiegend aus vulnerablen Gruppen
    stammen.
  • Die Nachfrage ist das Rückgrat der Prostitution.
    Auf Grundlage der Analyse zeigt die Studie drei Maßnahmengruppen mit insgesamt 15
    Empfehlungen auf, um „das letzte Mädchen an die Spitze zu stellen“ – Last Girl first:
  • Einführung eines ganzheitlichen, auf die Bedürfnisse der Opfer/Überlebenden zentrierten
    Ansatzes. Dessen Aspekte sind die Dekriminalisierung aller prostituierter Personen sowie
    umfassende Angebote psychologischer, medizinischer und sozio-ökonomischer
    Unterstützung für die Opfer/Überlebenden.
  • Einführung einer Opfer-zentrierten Justiz zu der die Strafbarkeit des Sexkaufes einschließlich
    der Einbindung erzieherischer Maßnahmen in das Strafmaß sowie die Stärkung des Kampfes
    gegen Zuhälterei und Menschenhandel gehören. Außerdem soll es als strafverschärfender
    Umstand gewertet werden, wenn Faktoren wie Jugendlichkeit, Sucht, Behinderung,
    migrantischer Status ausgenutzt werden.
  • Bekämpfen der Faktoren der Vulnerabilität, die für Nachschub in das Prostitutionssystem
    sorgen: kein „letztes“ Mädchen mehr: Hierzu gehört insbesondere der Zugang zu
    grundlegenden materiellen und formellen Rechten in allen Lebensphasen. Auch sind alle
    Formen rassistischer Diskriminierung und neokolonialer Praktiken zu bekämpfen und
    feministische Politiken zu stärken, um eine Gleichheit der Geschlechter zu erreichen.
  • III. Gesundheit; Femizide
  • Rössler W. et al.: The mental health of female sex workers. Acta Psychiatrica Scandinavica. 2010;
    122(2):143-152
    https://www.collegium.ethz.ch/fileadmin/autoren/pdf_papers/10_roessler_sexwork.pdf
    Die Studie beschäftigt sich mit dem psychischen Zustand von prostituierten Frauen. Dabei
    soll die psychische Gesundheit von Prostituierten in der Schweiz in unterschiedlichen
    Arbeitsumgebungen und mit verschiedenen Nationalitäten umfassend untersucht werden
    Die untersuchten Frauen wiesen deutlich höhere Raten an 1-Jahres-Prävalenzen an
    psychischen Störungen auf als Frauen der Allgemeinbevölkerung, wie ein Vergleich mit
    der ESEMeD-Studie (European Study of the Epidemiology of Mental Disorders) zeigte.
    Alle erfassten Störungen traten bei 50,3 % auf (12 % bei ESEMeD), Stimmungsstörungen
    30,1 % (5,6 %), Angststörungen 33,7 % (8,7 %). Besonders häufig waren psychische
    Störungen bei Schweizerinnen, die süchtig waren und auf der Straße arbeiteten sowie
    Nichteuropäerinnen, die in und außerhalb ihres Arbeitssettings Opfer von Gewalt wurden.
  • BMFSFJ: Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland; 2004.
    https://www.bmfsfj.de/blob/84328/0c83aab6e685eeddc01712109bcb02b0/langfassung-studie-frauen-teil-eins-data.pdf
    Die Studie zeigt, dass prostituierte Frauen im Vergleich zu der allgemeinen weiblichen
    Bevölkerung wesentlich mehr Gewalt erfahren:
    92% erleben sexuelle Belästigungen
    87% erleben körperliche Gewalt
    82% erleben psychische Gewalt
    59% erleben sexuelle Gewalt
    Außerdem wird eingeräumt, dass es „eine soziale Realität [ist], dass viele Prostituierte sich
    in einer sozialen und psychischen Situation befinden, in der es fraglich ist, ob sie sich
    wirklich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können.“
  • https://sexindustry-kills.de/doku.php?id=start
    Prostitution war und ist in Deutschland eine besonders gefährliche Tätigkeit. Während in
    Schweden seit 1999 keine Frau in der Prostitution ermordet wurde, sind es in Deutschland
    rund 114 dokumentierte Fälle sowie eine ähnliche Anzahl Mordversuche! Auch diese
    Zahlen sprechen dagegen, dass eine Regulierung Frauen in der Prostitution schützt.
    Entkriminalisierung der Frauen in der Prostitution, aber Verbot von Sexkauf, Zuhälterei und
    Bordellbetrieb schützen viel effektiver.
  • Schon, Manuela and Hoheide, Anna (2021) „Murders In the German Sex Trade: 1920 to 2017,“
    Dignity: A Journal on Sexual Exploitation and Violence: Vol. 6: Iss. 1, Article 4.
    DOI: 10.23860/dignity.2021.06.01.04
    https://digitalcommons.uri.edu/dignity/vol6/iss1/4https://digitalcommons.uri.edu/dignity/ vol6/iss1/4
    Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis: “These findings indicate that legalizing and
    decriminalizing prostitution does not make it safe for women in prostitution.”
  • UNODOC (United Nations Office on Drugs and Crime) https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/GSH2018/GSH18_Gender-related_killing_of_women_and_girls.pdf
    Die internationale Studie hat 2018 für prostituierte Frauen ergeben, dass diese die höchste
    Viktimisierungsrate bei Tötungsdelikten von allen jemals untersuchten Frauengruppen
    aufweist. Demnach legen epidemiologische Studien auf der Grundlage von Daten aus den
    Vereinigten Staaten nahe, dass die Wahrscheinlichkeit, dass aktive Prostituierte
  • Sexarbeiterinnen Opfer eines Tötungsdelikts werden, fast 18-mal höher ist als bei Frauen
  • ähnlichen Alters und ähnlicher Ethnie, die nicht in der Prostitution Sexarbeit tätig sind.
  • Alder, Dr. Stephan: PROSTITUTION MACHT KRANK! Zur gegenwärtigen Lage in Deutschland.
    Brandenburgischen Ärzteblatt 9-20, S. 24-29
    https://laekb.de/files/17309AF38E5/BAEB_2020_09.pdf
    Der Autor ist Psychotherapeut, Psychiater und Delegierter der brandenburgischen
    Landesärztekammer.
    o Der Autor führt aus, dass Prostitution als Interaktionserfahrung ein psychisch
    pathogener Faktor für jeden, die BürgerInnen und die Gesellschaft der
    Bundesrepublik Deutschland ist. Der seit 2002 legale Status der Prostitution
    verschärft die Pathogenität und verschleiert sie zugleich.
    o Er beschreibt mit Hilfe der Psychodynamik der traumatischen Situation und
    posttraumatischen Reaktion aus Sicht der Psychiatrie/Psychosomatik und
    Psychotherapie wie Prostitution krank macht.
    o Anschließend leitet er aus seiner fachlichen Expertise die Forderung ab, den
    verharmlosenden Umgang mit Prostitution zu beenden und das Nordische Modell
    einzuführen.
  • IV. Freier
  • Farley, Melissa: Men who buy sex. Who they buy and what they know. Prostitution Research &
    Education, San Francisco 2009. http://prostitutionresearch.com/2009/03/01/men-who-buy-sex-london-2009/
    o Legalisierung und Toleranzzonen für Prostitution ermutigten Männer, Sex zu
    kaufen. Mehrere Männer erklärten, dass sie, nachdem sie in Ländern waren, in
    denen Prostitution legal ist oder gefördert wird, nach ihrer Rückkehr in das
    Vereinigte Königreich Bereitschaft zum Kauf von Sex aufwiesen, auch wenn diese
    Praxis illegal ist.
    o Die Einstellung der Männer spielt eine zentrale Rolle bei der Ausübung von Gewalt
    gegen Frauen. Bemühungen zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen müssen
    nicht nur die Einstellungen ansprechen, die Gewalt gegen Frauen offen billigen,
    sondern auch die Einstellungen in Bezug auf Sex, einschließlich Prostitution, die
    diese Gewalt normalisieren und rechtfertigen.
    o Von 103 Londoner Männern, die Sex gekauft hatten, sagten zwei Drittel, dass die
    behördliche Feststellung (Erlass eines Bescheides), dass ihr Verhalten
    unerwünscht ist, abschreckend wirken würde.
  • Dirk Baier, Moritz Quel, Bettina Zietlow: Die Ausbeutung von Prostituierten aus der Sicht der Kunden
    – Problembewusstsein und Einflussfaktoren der Hilfsbereitschaft SozProb (2018) 29:151–168,
    https://doi.org/10.1007/s41059-018-0052-0
    Die AutorInnen deuten ihre Ergebnisse dahingehend, dass Prostitutionskunden durchaus
    für die Aufdeckung von Ausbeutung im Prostitutionsbereich eine Rolle spielen können.
    Gleichwohl weisen sie ambivalente Haltungen auf und sind für verschiedene
    Ausbeutungsindikatoren nicht empfänglich, was zur Folge hat, dass ihr Beitrag bei der
    Aufdeckung (weiterhin) eher gering bleiben wird. Viele Prostitutionskunden berichten die
    Sorge, dass sie ihre Anonymität verlieren, wenn sie ihre Beobachtungen verschiedenen
    Stellen mitteilen. Insofern würde es die Mehrheit der Befragten begrüßen, wenn es die
    Möglichkeit gäbe, Beobachtungen bei der Polizei anonym per Telefon oder online zu
    melden. Entsprechende Angebote sollten daher verstärkt entwickelt und bekannt gemacht
    werden. Mit Blick auf die Prostituierten bedeuten die Befunde der Vignette jedoch, dass
    sie Hilfe vonseiten der Freier nur dann erwarten können, wenn sie ihre Bedürfnisse nach
    Hilfe deutlich artikulieren. Subtilere Anzeichen für Ausbeutungssituationen motivieren
    die Freier eher nicht, helfend tätig zu werden.
  • Heilman, B.; Hebert, L.; and Paul-Gera, N. The Making of Sexual Violence: How Does a Boy Grow
    Up to Commit Rape? Evidence from Five IMAGES Countries. Washington, DC: International Center
    for Research on Women (ICRW) and Washington, DC: Promundo. June
    2014.https://www.icrw.org/publications/the-making-of-sexual-violence/
    o Es zeigte sich, dass zu folgenden Faktoren ein signifikanter Zusammenhang zu dem
    Begehen einer Vergewaltigung besteht: Vernachlässigung und erlebte sexuelle Gewalt
    in der Kindheit, sexuelle Aggression in der Jugend, Ausübung physischer Gewalt
    gegen eine Partnerin, Einstellungen (GEM Scale), Sexkauf.
    o Eine Regressionsanalyse ergab, dass in Chile und Kroatien der Sexkauf der wichtigste
    Faktor war. In beiden Ländern war die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine
    Vergewaltigung begangen haben, bei Sexkäufern 3,42-mal höher als bei Männer, die
    keinen Sex kauften.
    o Die Studie macht deutlich, dass Männer, die Sex kaufen, mit höherer
    Wahrscheinlichkeit als Männer, die keinen Sex kaufen, auch außerhalb der Prostitution
    sexuelle Gewalt ausüben. Es könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Käuflichkeit
    einen Effekt auf das Frauenbild hat. Möglicherweise entsteht bei Männern, die Sex
    kaufen, der Eindruck, sie hätten jederzeit ein Recht auf Sex und der Willen der Frau
  • sei weniger relevant, was dadurch zu einem Anstieg sexueller Gewalt auch außerhalb
  • der Prostitution führt
  • V. Menschenhandel
  • Cho, Seo-Young and Dreher, Axel and Neumayer, Eric (2013) Does legalized prostitution increase
    human trafficking? World development, 41 . pp. 67-82. ISSN 0305-750X. DOI:
    10.1016/j.worlddev.2012.05.023
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0305750X12001453
    Die Studie zeigt, dass die Legalisierung der Prostitution den Menschenhandel eher
    vergrößert als verkleinert. Im Schatten der Legalisierung kann der Schwarzmarkt erst recht
    blühen. Dass eine Legalisierung den „Schwarzmarkt“ sogar mehr als vor der Legalisierung
    ausweiten kann liegt vor allem an zwei Effekten:
    o Die Nachfrage nach Prostitution ist wie die nach Glücksspiel und Drogen
    hochelastisch. Wenn der nachfragehemmende Effekt der Illegalität beseitigt wird,
    kann die Nachfrage steigen, manchmal sogar dramatisch.
    o Diese neue Nachfrage muss nicht unbedingt in den legalen Markt fließen. Einige
    neue legale Marktteilnehmer nutzen zeitweise den parallelen Schwarzmarkt. Dort
    werden andere, riskantere, „verbotenere“ Angebote nachgefragt. Wenn die Größe
    des neu legalisierten Marktes schnell wächst, können diese „Teilkunden“ den
    Schwarzmarkt größer machen als in der Zeit vor der Legalisierung, als alle
    Marktteilnehmer zu 100% auf den illegalen Markt angewiesen waren, um ihre
    Nachfrage zu decken.
  • CEDAW /C/GC/38: Allgemeine Empfehlung Nr. 38 (2020) zum Frauen- und Mädchenhandel im
    Kontext der globalen Migration. 6. November 2020.
    https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared%20Documents/1_Global/CEDAW_C_GC_38_9278_E.docx
    o (Punkt 29, Seite 13): Strategien, die darauf abzielen, Menschenhandel zu
    verhindern, müssen die Nachfrage als Grundursache berücksichtigen. Das
    Versäumnis, die Nachfrage zu erkennen, ist anerkanntermaßen eines der
    Hindernisse für Staaten, die gegen Menschenhandel vorgehen. (Auszug)
    o (Punkt 30, Seite 14): Die sexuelle Ausbeutung besteht fort, weil die
    Vertragsstaaten es versäumt haben, die Nachfrage, die die Ausbeutung
    begünstigt und zum Menschenhandel führt, wirksam zu unterbinden.
    Fortbestehende Normen und Stereotypen in Bezug auf männliche Dominanz,
    die Notwendigkeit, männliche Kontrolle oder Macht zu behaupten,
    patriarchalische Geschlechterrollen durchzusetzen, männliche sexuelle
    Ansprüche, Zwang und Kontrolle, die die Nachfrage nach sexueller
    Ausbeutung von Frauen und Mädchen antreiben. Massive finanzielle Gewinne
    bei geringen Risiken aufgrund der Straflosigkeit sind immer noch weit
    verbreitet. (Auszug)
  • Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Februar 2021 zur Umsetzung der
    Richtlinie 2011/36/EU zurVerhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz
    seiner Opfer (2020/2029(INI))“
    https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2021-0041_DE.html
    Das EU-Parlament führt aus:
    o In Verweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2020 zur Gleichstellung von
    Frauen und Männern im Rahmen der Außen- und Sicherheitspolitik der EU (vgl.
  • Punkt II.6 oben)
  • (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+COMPARL+PE-519.748+01+DOC+PDF+V0//EN )
  • o in der Erwägung, dass der Menschenhandel eine sehr lukrative Form der
  • organisierten Kriminalität ist und daher durch Nachfrage und Gewinn gesteuert
  • wird; in der Erwägung, dass eine Eindämmung der Nachfrage, auch in Bezug auf
  • die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen, bei der Bekämpfung des
  • Menschenhandels im Mittelpunkt stehen muss; in der Erwägung, dass körperliche,
  • psychische und sexuelle Gewalt grundlegende Elemente des Menschenhandels zu
  • Zwecken der sexuellen Ausbeutung und der Gewalt gegen Frauen sind
  • o fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu
  • untersuchen, wie die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen dem
  • Menschenhandel Vorschub leistet, da es laut Europol „Mitgliedstaaten gibt, in
  • denen Prostitution legal ist, was es den Menschenhändlern sehr viel leichter macht,
  • ein legales Umfeld für die Ausbeutung ihrer Opfer zu nutzen“;
  • o weist auf die Erkenntnisse von Europol hin, wonach Verdächtige in einigen EU￾Mitgliedstaaten, in denen Prostitution legal ist, nicht nur erwachsene Opfern,
  • sondern auch Kinder ausbeuten konnten;
  • o hebt hervor, dass der Menschenhandel durch die hohen Gewinne der
  • Menschenhändler und die Nachfrage, die jegliche Form der Ausbeutung
  • begünstigt, gefördert wird; betont, dass es für Menschenhändler durchaus üblich
  • ist, legale Geschäfte zum Verschleiern von Tätigkeiten zum Zweck der Ausbeutung
  • zu nutzen; weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten rechtlich verpflichtet sind, der
  • Nachfrage nach allen Formen der Ausbeutung entgegenzuwirken und diese zu
  • verringern, was ein zentrales Ziel der Präventions- und
  • Strafverfolgungsbemühungen sein sollte;
  • „Discouraging the demand that fosters trafficking for the purpose of sexual exploitation“, OSCE
    2021; https://www.osce.org/files/f/documents/7/f/489388_0.pdf
    In dem Bericht wird genau erläutert, warum die generelle Nachfrage nach sexuellen
    Handlungen (inklusive der Kauf von Sex von Menschen, die keine
    Menschenhandelsopfern sind) den MHzZsA schürt
    o Der Bericht stellt fest, dass alle Länder nach Artikel 9 Absatz 5 des Palermo￾Protokolls verpflichtet sind, Maßnahmen zur Verringerung der Nachfrage zu
    ergreifen. Dennoch wurden in Ländern, in denen der Kauf von Sex legal oder
    entkriminalisiert ist, nur wenige Anstrengungen – auch im Bereich der Prävention –
    ergriffen. Dabei besteht die Verpflichtung, nicht nur die Nachfrage nach
    Menschenhandel – oder sogar die Nachfrage nach sexueller Ausbeutung – zu
    entmutigen, sondern darüber hinaus auch die Nachfrage, die sogar unbeabsichtigt
    oder unwissentlich Dritte zur Ausnutzung der Prostitution motiviert.
    o Der Bericht weist auf die wichtige normensetzende Funktion strafrechtlicher
    Regelungen hin und legt die herausragende Rolle der Nachfrage als Hauptursache
    des Menschenhandels, insbesondere des Frauen- und Mädchenhandels, dar.
    o In dem Bericht wird aufgezeigt, dass in der kommerziellen Sexindustrie die
    Ausbeutung von Opfern des Menschenhandels verbreitet ist. Er weist auch auf
    andere Schwachstellen oder ausbeuterische Umstände in der Branche hin. (S. 74f)
    o Der Bericht fordert zudem vielfältige Maßnahmen zur Unterstützung von Opfern
    von Menschenhandel und gefährdeten Personen, die in der Prostitution tätig sind.
    (S. 76)
  • Der Bericht ermutigt die OSZE-Teilnehmerstaaten, ihre derzeitigen strafrechtlichen
  • Maßnahmen gegen die Nachfrage neu zu bewerten und ihren rechtlichen Rahmen
  • unter Berücksichtigung der folgenden Faktoren anzupassen: Der Umfang der
  • Nachfrage, wie er in den internationalen Instruktionen formuliert ist, ist weit
  • gefasst; er umfasst „die Nachfrage, die die Ausbeutung fördert, die zum
  • Menschenhandel führt“. Das Ausmaß der Nachfrage ist enorm: Der Kauf von Sex
  • von Opfern des Menschenhandels findet jedes Jahr Hunderte von Millionen Mal
  • statt und führt zu jährlichen Gewinnen von fast 100 Milliarden Dollar; Die Realitäten
  • des Marktes sind problematisch: Die Nutzer versuchen in der Regel nicht, gezielt
  • die Dienste von Opfern des Menschenhandels zu kaufen, sind jedoch nicht in der
  • Lage und/oder nicht motiviert, die Opfer des Menschenhandels zu identifizieren,
  • wodurch ein undifferenzierter Markt entsteht, auf dem Zehntausende von Opfern
  • des Menschenhandels ausgebeutet werden. Die Nutzer sind direkt und indirekt für
  • den gesamten Schaden verantwortlich, den Opfer des Menschenhandels erleiden.
  • Der Schaden ist zudem stark geschlechtsspezifisch, da er überwiegend von
  • Männern verursacht wird und überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich, von
  • Frauen und Mädchen erlitten wird, die überproportional von rassischen und
  • ethnischen Minderheiten betroffen sind. Daher sollten die politischen Maßnahmen
  • den Ernst und die Schwere des Problems widerspiegeln, nicht nur sein Ausmaß.
  • “EU Femm-Ausschuss: The differing EU Member States’ regulations on prostitution and their crossborder implications on women’s rights. 2021
    https://www.europarl.europa.eu/thinktank/de/document.html?reference=IPOL_STU%282021%29695394
    o Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass Sexhandel und Prostitution in
    der Europäischen Union eng miteinander verknüpft sind. Demnach sind Gruppen
    in der Europäischen Union, die Menschenhandel in Verbindung mit Prostitution
    betreiben, häufig polykriminell; Geldwäsche spielt eine große Rolle.
    o Hinsichtlich der Erfassung der Opferzahlen besteht das zentrale Problem darin,
    dass Menschenhandel eine Kriminalitätsform mit einer sehr hohen Dunkelziffer
    ist. Deshalb sind weitergehende standardisierte Datenerfassung erforderlich.
    o Die Studie verweist auf die Bedeutung u.a. von Armut und Arbeitslosigkeit für die
    Entscheidung einer Person, sich zu prostituieren und auf das Ausmaß des
    Menschenhandels. Deshalb wird empfohlen, dass die EU die Mitgliedsstaaten bei
    der Bekämpfung von Frauenarmut, sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung
    unterstützt.
    o Die Studie macht deutlich, dass die EU der Auffassung folgen könnte, dass
    Prostitution eine Form von Gewalt, eine Verletzung der Menschenwürde und eine
    Form der Ausbeutung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten ist. Um die
    Marktasymmetrien, die Ströme des Sexhandels und die damit verbundenen
    organisierten kriminellen Aktivitäten zu verringern, die Menschenrechte der Opfer
    innerhalb der Europäischen Union zu schützen und gleichzeitig die Gleichstellung
    der Geschlechter zu fördern, schlägt der Autor vor, dass die EU eine neue Richtlinie
    erlässt, mit der der Erwerb sexueller Dienstleistungen grundsätzlich kriminalisiert
    wird. Die Studie verweist auf den Vertrag von Lissabon (2007), mit dem ein starker
    Fokus auf die soziale Dimension der Europäischen Union gelegt und der Grundsatz
    der Nichtdiskriminierung und der Gleichstellung von Frauen und Männern zu einem
    zentralen Wert der Europäischen Union gemacht wurde. Nur der Ansatz, den Kauf
    von sexuellen Dienstleistungen grundsätzlich zu kriminalisieren, würde nach
    Einschätzung des Autors auch die Gleichstellung der Geschlechter fördern:
    Zitat: „If one recognises that prostitution is a form of violence, a violation of human dignity
    and a form of exploitation of gender inequalities, the European Union could consider the
    possibility to enact a new Directive asking Member States to adopt a prohibitionist model of
    prostitution criminalising the purchase of sexual services tout court. Such an approach –
  • which is alternative to suggestion 1 – would reduce market asymmetries, sex trafficking
  • flows and the connected organised criminal activities and safeguard the human rights of the
  • victims within the European Union, at the same time promoting gender equality. Since the
  • rationale behind this approach is currently not accepted by all Member States, and
  • difficulties would thus likely arise in adopting such an instrument, the European Union
  • should work to build a consensus on it.“ (S. 41)
  • Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN) führte in der Zeit vom
    01.11.2020 bis 24.09.2021 eine Evaluation der im Jahr 2016 reformierten strafrechtlichen
    Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels durch. Der vom Bundesministerium der
    Justiz und für Verbraucherschutz erteilte Auftrag beinhaltete die Durchführung einer
    retrospektiven Gesetzesfolgenabschätzung.“
    https://kfn.de/blog/2021/11/neuer-forschungsbericht-veroeffentlicht-evaluierung-der-strafvorschriften-zur-bekaempfung-des-menschenhandels-%C2%A7%C2%A7-232-bis-233a-stgb/
    Die Bestandsanalyse zeigte u.a.:
  • Die Geschädigten der sexuellen Ausbeutung waren fast durchweg weiblich (94,9
    %;), jede fünfte geschädigte Person war sogar unter 18 Jahre alt und kommen „aus
    allen Teilen“ der Welt, die Mehrzahl aus Osteuropa (40 % aus Rumänien, 22,3 % aus
    Bulgarien). Die Vielzahl der Nationalitäten wird als Problem für die
    Strafverfolgungspraxis identifiziert.
  • Bei 41,7 % der Geschädigten wurden ZeugInnen anscheinend eingeschüchtert, in
    der Regel (88,5 %) durch Beschuldigte.
  • In 50 % der Fälle konnten Hinweise auf organisierte Kriminalität gefunden werden,
    65,8% der Beschuldigten waren Teil einer losen „Täter*innengruppierung im Feld des
    Menschenhandels“
  • Nur ein geringer Teil der Fälle des Menschenhandels werden von der Polizei
    aufgrund proaktiver Ermittlungen aufgedeckt, die Zahl der Fälle hat sich gegenüber
    2018 zudem erheblich vermindert. Weit überwiegend (71,6 %) werden die Fälle durch
    Anzeigen bekannt.
  • In den Akten fand sich nur ein Fall von Freierstrafbarkeit (S. 78), der Strafbefehl
    wurde wegen entgeltlicher sexueller Handlung mit einer 16-jährigen erlassen, § 232 a
    kam nicht zur Anwendung.
    Das KfN verweist auf den wissenschaftlichen Konsens, demzufolge das Dunkelfeld im
    Bereich des Menschenhandels groß sein dürfte und davon auszugehen ist, dass
    mindestens 90 % aller Menschenhandelsdelikte im Dunkelfeld verbleiben.
    Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Oberziel, die Strafverfolgung durch eine
    Neufassung der strafrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Menschenhandels zu
    verbessern, nicht erreicht worden ist. So ergeben die ausgewerteten Statistiken keine
    Erhöhung der Fallzahlen, Strafverfahren oder Verurteilungsquoten, von einer
    Verbesserung der Strafverfolgungspraxis beim Menschenhandel ist somit nicht
    auszugehen. Diskutiert werden auch die Gründe für das Absinken des Anteils der
    proaktiven Ermittlungen. Die Annahme des KfN ist, dass es sich bei
    Menschenhandelstaten um sog. Kontrollkriminalität handelt und möglicherweise die
    polizeilichen Ermittlungen nicht von ausreichendem Erfolg gekrönt sind, so dass die
    vorhandenen Kapazitäten für andere Ermttlungstätigkeiten aufgewendet wurden.
    Das KfN schlägt neben umfassenden Schulungsmaßnahmen sowie einer konsistenteren
    und eindeutigeren Fassung der materiell-strafrechtlichen Vorschriften u.a. die
    umfassende Umsetzung des Non-Punishment-Prinzipes für die Opfer und die häufigere
    Sicherung der Aussagen von OpferzeugInnen durch Ermittlungsrichter vor.
    Für die Evaluierung des ProstSchG fordert das KfN Hinweisen auf inkonsistente
    Rechtsanwendungen, bei der „die Handhabung des ProstSchG (jedenfalls in manchen
    Bundesländern) einer erfolgreichen Bekämpfung des Menschenhandels im Wege
    stehen könnte, nachzugehen.“ Im Rahmen der Evaluierung sollte die Umsetzung
    gewerbe- und strafrechtlicher Normen mit Bezug zum Menschenhandel ganzheitlich und
    auch auf (schädliche) Wechselwirkungen hin untersucht werden.