Bettlerin Mimi – Das Dunkelfeld im Sozialstaat

Ich traf Bettlerin Mimi – deutsch, weiß, erwerbsunfähig und wird wohl von Betrügern ausgenutzt

Wie kommt es zustande, dass man mehr hat und wie kommt es zustande, dass man wenig oder gar nichts hat? – Ich denke, es ist ein Mix aus Glück, guter Umgebung, eigener Charakter und Wille und Menschen, die man an sich ranlässt…

12. November 2025. Ich ging vormittags in die Stadt und holte mir süsse Stückle. Es war für November relativ warm. An diesem Tag waren es sage und schreibe 18 Grad am Nachmittag.

Ich saß also da beim Denns Biomarkt gegenüber auf der Bank, trinke mein Käfflee (fürs Äffle) und aß meine Schoko Schnecke.

Als da eine ältere Dame kam und mit mir sofort ins Gespräch anfing. Es ging um Immobilien, wir kratzten das Thema Ukraine und den 30-jähriger Krieg an. Die Siegrid konnte aber nicht lange mit mir quatschen, da sie zur Arbeit musste. Die Arme (ironisch)

Ich gab ihr zwei Schnecken ab. Eine Zimt- und eine Schokoschnecke.

Dann ging auch ich weiter und mein spontaner Plan war die Königsstraße entlang Richtung Park zu gehen, um dann ein paar Kilometer nach Hause zu gehen.

Doch es kam anders.

Auf der Königsstraße sah ich eine pummelige Frau im hellen Jogging-Anzug, schwarzer Lederjacke, rote Kappe und grüner Tasche an der Hauswand sitzen. Sie bettelte. Zwei Cola-Dosen, eine Wasserflasche und eine Papier-Tasse mit ein bisschen Kleingeld standen um sie herum.

Ich beschloss ihr meine letzte Zimtschnecke zu geben und hockte mich zu ihr.

Wir begonnen zu quatschen.

Sie erzählte von ihrem Wunsch als Schauspielerin zu arbeiten, aber sie müsse jetzt betteln.

Ich fragte nach.

Sie müsse betteln, damit sie ihrem Freund, der sich Matthias Schweighöfer nennt, das Geld zusenden kann.

Ich dachte, wow! Hört sich nach einem Betrüger an.

Ich sah dass sie zitterte und sie hatte auch nichts worauf sie sitzen konnte. So lud ich sie zu einem Tee ins Café ein.

Wir gingen in eines meiner Lieblingscafés in der Stadt.

Die Menschen dort sind freundlich und die Atmosphäre und das Ambiente sind einfach fein.

Wir setzten uns an die Wand auf die gepolsterte Bank. Der gemütlichste Platz und bestellten uns einen Ingwer-Tee.

Mimi (so nenne ich sie) erzählt, sie wurde damals von ihrem Freund hoch-schwanger in einen Fluss geschubst und kam dann ins Krankenhaus, wo man ihr Medikamente gab, die eine Abtreibung ihres Kindes verursachte. Dann kam sie in die Psychiatrie und seit dem wird sie betreut.

Sie ist erwerbsunfähig, darf also nicht arbeiten oder eben nur in bestimmten Werkstätten…

Ich fragte nach ihrem jetzigen Freund, diesem Matthias Schweighöfer.

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Sie erzählte mir, dass sie damals auf eine Schauspielschule ging und dann, nach einer Möglichkeit als Schauspielerin zu arbeiten, suchte. Über Facebook lernte sie dann diesen Matthias Schweighöfer kennen.

Das passierte so um 2018 rum. Seit dem sind sie über WhatsApp, telefonisch in Kontakt. Aber persönlich gesehen hat sie ihn noch nie. (Oh welch ein Wunder)

Sie sagte, sie hätte kein Geld mehr um sich Essen zu kaufen. Und ich fragte sie, ob sie keine Unterstützung bekommen würde?

Das bejate sie. Sie bekommt von ihrer Betreuerin regelmäßig Geld. Aber davon würde sie den größten Teil an diesen Fake-Matthias Schweighöfer schicken.

Während wir dort sitzen, sehe beobachte ich, wie vorbeigehende Leute zu uns schauen. Manche scheinen eher desinteressiert zu sein, andere doch eher interessiert, wie dieser Herr hier. Zufall? Wer weiss?

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Mimi bekommt also regelmäßig Geld und von diesem Geld sendet sie wohl schon seit Jahren, wie sie mir erzählte, den größten Teil an dieses Fake-Arschloch.

Ich fragte sie, was denn ihre Betreuerin dazu sagt. Sie sagte, dass ihre Betreuerin davon wisse. Dann fuhr sie fort mit ihrer Erzählung.

Im Mai 2020, damals kannte sie also diesen Fake-Schweighöfer schon seit zwei Jahren, wurde sie eines Abends von ihm über einen Anruf darum gebeten an ihre Haustüre zu kommen. Es gab wohl Gesprächsbedarf, weil eine weitere Frau ins Spiel kam und Mimi das nicht gut fand.

Gegen 23 Abends ging Mimi an ihre Haustüre und wurde angegriffen. Ein Typ, wohl von dieser Betrüger-Masche, kam und hat sie gegen die Wand geschubst wobei sie dann eine Platzwunde am rechten Augenlied erlitt. Sie erzählte mir, dass sie den Krankenwagen rief und dass sie ebenfalls der Polizei von diesem Vorfall erzählt hätte. Es wäre aber nicht weiter verfolgt worden.

Mimi sagte mehrmals, dass sie Angst hat, dass das nochmal passiert und nochmal jemand kommt und ihr Gewalt antut.

Sie versendet ihm das Geld via Moneygram oder sendet ihm Spielkarten via Steam Card.

Ich fühlte die blanke Wut in mir aufkommen. Tausend fragen stellen sich mir.

Wie kann es sein, dass trotz Betreuung so etwas passiert? Wieso kann so etwas nicht verfolgt und bestraft werden?

Da macht sich mindestens ein Typ ein schönes Leben durch regelmäßige Geldzuweisungen von einer bildlich und faktisch gesprochen am Boden liegende Frau ?

Erst wird sie so niederträchtig vom Vater des Kindes, dass sie im. auch trug, in den Fluss geschubst, dann werden ihr Medikamente verabreicht, die zur Frühgeburt führten, dann kommt so ein Betrüger-Typ und saugt sie, wie ein Parasit, jahrelang aus.

Die Frau ist völlig zerstört. Nicht nur gesellschaftlich, sondern komplett. Innen, wie außen.

Ich fragte sie, ob sie von dem Vorfall mit ihrem Baby weiter erzählen will. Sie wollte hier nicht weiter erzählen.

Die Frage, was ist mit diesem Baby geschehen?, bleibt offen.

Ist es damals gestorben oder lebt es noch?

Hat ihr Exfreund etwas mit dieser Betrügerband zutun?

Was ist mit dem Arzt bzw. den Medizinischen Personal? Sind die darin ebenfalls verstrickt?

Wie viele Frauen werden, so wie Mimi, von Betrügern ausgesaugt?

Was ist mit diesem Dienst für psychologisch kranke Menschen? In wieweit hängen die in diesem Ding drin?

Wie viel Geld verliert der Sozialstaat durch solche Betrüger?

Es ist immer das Selbe. Kaum meine ich, dass ich wohl jetzt ziemlich alles gesehen und gehört habe, von den menschlichen, gesellschaftlichen Abgründen, da kommt wieder ne Story um die Ecke, die mich eines besseren belehrt.

Nachdem wir einen heißen Tee und eine heiße Schokolade tranken, bezahlte ich mit meiner Karte und wir gingen zum Rewe.

So hatten wir es dann besprochen, nachdem sie überzeugt war, heute nicht mehr zu betteln.

Ich ging mit Mimi ein paar Lebensmittel einkaufen und bezahlte auch dies mit meiner Karte.

Danach brachte ich sie nach Hause und war selbst froh, als ich dann selbst zu Hause war.

Der Tag fühlte sich lange und intensiv an. Ich hatte das Gefühl etwas Gutes getan zu haben, trotz dass ich nicht wirklich etwas für mich selbst gemacht habe und zusätzlich auch noch Geld ausgegeben habe…

Aber war ich nun sozial mit dieser Tat?

Wer noch würde so etwas tun können? Seine eigene Zeit und Geld in einen Mitmenschen zu investieren, weil es eben gerade so passiert.

Die Frau vertraute mir ihre Themen an. Ob es wahr ist oder nicht, weiss ich nicht unbedingt. Aber warum ist sie denn in dieser Situation?

Ich werde wütend, wenn man mir erzählen will, dass sie alleine an ihrer Situation schuld ist.

Denn das ist niemals der Fall!

Niemals ist jemand alleine daran schuld, wenn er oder sie sprichwörtlich am Boden ist. Niemals. Hier gehören mindestens zwei dazu?

Systeme unserer Gesellschaft sind immer als Hilfe und Unterstützung anzusehen. Aber niemals werden Systeme uns unsere Verantwortung abnehmen. Die Verantwortung miteinander zu reden, miteinander zu arbeiten, miteinander auszukommen.

Ein paar Tage später

Ich unterhielt mich ein paar Tage später mit einer Dame aus der Verwaltung, dem Jobcenter. Ich erzählte ihr von diesem Fall und ihre Reaktion ließ tief blicken. Sie meinte, mit einem tiefen Seufzer, dass es viele solcher Fälle gibt und dass man hier nicht weiss was man noch machen kann.

Ich sah ihr diese Verzweiflung, diese Ohnmacht, dieses „ich bin dem überdrüssig“ an.

Denn sie hat ja irgendwie Recht. Aber was ist damit, dass man dies zur Anzeige bringt?

Mitarbeiter beim Sozialamt, beim Jobcenter sitzen doch genau an der Front. An der Schwelle, wo gut und böse sich treffen. Da müsste es doch gängige Praxis sein, dass sich diese Ämter mit der Polizei austauschen und hier viele Informationen erhalten, um in Fällen weiterzukommen..

Ich bette für Mimi und für uns, dass es besser wird.

Amen

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