Der verrohte Mann
Als Kind habe ich nur tolle Männer um mich herum gehabt. Jedenfalls aus meiner damaligen Perspektive.
Meinen Papa, meinen Bruder, meinen Cousin, meinen Onkel, meine schrulligen Opas.
Beide Opas mussten in Heimen aufwachsen. Beide Opas waren sehr kreativ. Der eine konnte sehr gut malen und Dinge basteln. Der andere Opa war Schauspieler, Animateur und Fotograf.
Alle beide hätten das Zeug dazu gehabt, tolle Berufe zu machen, wenn sie eine gescheite Umgebung gehabt hätten oder wenn sie ihre Talente ernst genommen hätten..
Wer weiss schon was dazu nötig ist um mit seinem Talent erfolgreich zu sein, also davon leben zu können? Ich meine es sind mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen. Ein paar davon hat man selbst in der Hand. Ein paar davon nicht.
Hätte, hätte, Fahrradkette.
Mein Schauspielopa hat im Städtischen Amateur Schauspiel mitgewirkt und dort viele Hauptrollen gehabt. Ich erinnere mich noch an die Inszinierung der Hexenverbrennung.
Es war grandios! Die Bühne wurde im Sommer im Burghof der Burg Runkel aufgebaut und es wurden zur Vorstellung am Abend Fakeln und echtes Feuer benutzt.
Mein Opa hatte die Hauptrolle als Hexenverbrenner… Es war schaurig. Aber ich fand das toll! Einer meiner vielen tollen Kindheitserinnerungen, die ich nie vergessen werde.
Ist es nicht toll, wenn der Mann auch Zeit und Muse für seine Kreativität leben kann?
Ich meine, wenn ein Mann tatsächlich seine Arbeit niederlegen, durchatmen und irgendetwas machen kann, das nicht den Fokus aufs Geld verdienen oder Macht erhalten hat ?
Gibt es überhaupt noch Männer, die sich dessen bewusst sind, dass sie auch noch eine Persönlichkeit haben, die gelebt werden will ?
Dass sie auch Mensch sind und auch dazu geboren wurden, ihr eigenes Dasein mit ihren Liebsten zu genießen ?
Vielleicht kommt jetzt der Karl in mir durch, aber gibt es in der Männerwelt einen Bereich, wo mal nicht darüber nachgedacht wird, wie man noch weiter Macht oder Geld erhält ?
Das muss doch verdammt anstrengend sein, die ganze Zeit immer und immer nur an Geld- und Machtvergrößerung zu denken !?
Ein Sklave tut auch nichts anderes als sich immer nur mit einer Frage zu beschäftigen: wie den Tag überleben ?
Ob es ein Sklave ist, der sich ständig um die Frage des Überlebens oder ein Mann ist, der sich den ganzen Tag um die Frage der Machtvermehrung kümmert… beide sitzen im selben verdammten Boot.
Im Boot der Einseitigkeit, Undankbarkeit und Misstrauen
Der verrohte Mann von heute ist das Produkt der akademischen Dissoziation.
War es vor Hunderten Jahren noch die Blutrünstigkeit, die einen Mann antrieb, weil es als besonders stark galt, je mehr Männer ein Mann getötet hat, ist es heute der erfolgreiche Akademiker, der als Held gefeiert wird, wenn er sich eine dicke Yacht für 300 Millionen Euro kauft, während er aber seinen Mitarbeitern keinen dringend benötigten Bonus zahlen möchte.
An dieser Stelle möchte ich auch meine andere Sichtweise auf Unternehmer mitteilen:
ich habe in meinem Leben mit vielen Unternehmern zusammen gearbeitet, tiefgehende Gespräche geführt, mit ihnen gelebt, sie freundschaftlich beraten. Ich habe große Achtung vor jenen, die sich für ihr Ziel aufopfern und hart arbeiten. Ja, wir brauchen Menschen, die Neues wagen, die all ihre Möglichkeiten nutzen und die dran bleiben.
Unternehmer sind nicht gleichzeitig auch Ausbeuter, wie es so mancher hartnäckig glaubt. Und Karl Marx war auch nie gegen die Unternehmer, wie es so viele interpretieren.
Den Unterschied zwischen Ausbeuter und Unternehmer habe ich in diesem Artikel aufgeschrieben:
Und ich verneige und verehre Männer, die sich der unbequemen Frage der Menschlichkeit stellen und sich auf den Weg machen, eine Antwort zu finden. Denn nichts ist mutiger, als das eigens errichtete und oberflächlich funktionierende System zu hinterfragen.
Der Mann ist, wie die Frau auch, ein Mensch. Und der Mensch untersteht der Evolution. Die Evolution ist der Makrozyklus unserer Weiterentwicklung, während eine Revolution nur ein der Evolution untergeordnetes Intermezzo ist.
The Universe does care
Ich kenne rational denkende Männer und Frauen.
Ich kenne sehr gefühlvolle Männer und Frauen.
Ich kenne zu viele unterschiedliche Menschen, als dass ich mich irgendeiner Geschlechtsdebatte anschließen würde.
Aber dennoch gibt es Unterschiede zwischen einer maskulinen Frau und einen maskulinen Mann. Genauso gibt es Unterschiede zwischen einer sehr gefühlvollen Frau und einem gefühlvollem Mann.
Diese individuellen Eigenschaften sind nicht zu diskutieren, sondern zu akzeptieren.
Nicht mehr nicht weniger.
Die Verrohung ist nicht nur dem Mann vorbehalten, sondern auch eine Frau kann verroht sein.
Drum müssen wir also auch in Sachen Verrohung in Richtung Frau schauen. Denn auch Frauen können verroht sein und dadurch ihr Umfeld beeinflussen.
Was ist ein verrohter Mensch ?
Dieser Frage werde ich in einer meiner nächsten Artikel nachgehen.
Kind regards, Bianca Marx
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